IRA-Anschlag: So starb der Lieblingsonkel der Queen - WELT (2024)

Lord Louis Mountbatten war Admiral, höchster Offizier Großbritanniens und letzter Vizekönig von Indien. Am 27. August 1979 verübten Terroristen der IRA einen Bombenanschlag auf sein Boot. Neben ihm starben drei weitere Menschen.

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Feste Gewohnheiten sind lebensgefährlich – zumindest für Menschen, die im Fadenkreuz von Terroristen sind oder sein könnte. Schon seit 35 Jahren kam Lord Louis Mountbatten von wenigen Ausnahmen abgesehen jeden Sommer in sein in der nordöstlichen irischen Grafschaft Sligo gelegenes Schloss Classiebawn, um hier zu entspannen.

Und zumindest im Sommer lag sein altmodisches Fischerboot mit dem Namen „Shadow V“ stets an einer Boje in der Hafenbucht von Mullaghmore – für andere Boote oder auch Schwimmer frei zugänglich. Eine Anwohnerin sagte: „Jeder hier wusste, dass er fast täglich mit dem Boot hinausfuhr.“

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IRA-Anschlag: So starb der Lieblingsonkel der Queen - WELT (1)

So kam es am 27. August 1979 gegen 11.45 Uhr ein paar hundert Meter vor dem Hafen, wie es wohl kommen musste: Gerade fünf Minuten zuvor war der große, für sein Alter von 79 Jahren erstaunlich fitte ehemalige Marineoffizier und Großadmiral mit seinem Boot ausgelaufen. Mit ihm an Bord waren seine Tochter Patricia und ihr Mann Lord Brabourne, die Zwillingssöhne Timothy und Nicholas, Brabournes 83-jährige Mutter, Mountbattens eigener Enkel Nicholas und ein Schiffsjunge namens Paul Maxwell, den Mountbatten als ortskundigen Helfer mitgenommen hatte. Plötzlich explodierte die „Shadow V“ in einem gewaltigen Feuerball.

Nicholas und Paul wurden durch die Explosion sofort getötet, Mountbatten die Beine abgerissen. Er und die anderen Passagiere flogen schwer verletzt ins Wasser. Alle konnten zwar noch lebend geborgen werden, doch Mountbatten selbst starb unmittelbar darauf, Baroness Brabourne am folgenden Tag.

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IRA-Anschlag: So starb der Lieblingsonkel der Queen - WELT (2)

Binnen kurzem bekannte sich die Terrorgruppe Irisch-Republikanische Armee (IRA) zu dem Anschlag, dem übrigens wenige Stunden später ein Angriff auf britische Truppen im nahe gelegenen Nordirland folgte, der 18 Tote und mehr als 20 zum Teil schwer verstümmelte Opfer forderte.

Die Ermittlungen ergaben, dass in der vorangegangenen Nacht das IRA-Mitglied Thomas McMahon, ein erfahrener Bombenbauer, an Bord der „Shadow V“ gewesen war und dort eine 50-Pfund-Bombe mit Funkfernzünder angebracht hatte – Lackspuren an seiner Kleidung überführten ihn.

Im Bekennerschreiben hieß es: „Die IRA übernimmt die Verantwortung für die Hinrichtung von Lord Louis Mountbatten. Diese Operation ist eine Möglichkeit, das englische Volk auf die anhaltende Besetzung unseres Landes aufmerksam zu machen.“

IRA-Anschlag: So starb der Lieblingsonkel der Queen - WELT (3)

Warum aber wurde ausgerechnet der Lieblingsonkel von Queen Elisabeth II. zum Ziel der IRA? Geboren worden war er als Louis von Battenberg am 25. Juni 1900 in der Nähe von Schloss Windsor – beinahe symptomatisch für sein Leben. Denn als Urenkel von Queen Victoria gehörte er eigentlich zwar zur königlichen Familie, doch sein Großvater väterlicherseits hatte – wenn auch nur geringfügig – unter Stand geheiratet. Sein Neffe war Prinz Philip, der Herzog von Edinburgh und vor allem Prinzgemahl von Elisabeth II.

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Gewiss half ihm seine Herkunft bei der Karriere als Offizier der Royal Navy, doch er war zugleich ein Naturtalent als Anführer und ein von zumindest vielen seiner Untergebenen bewunderter Vorgesetzter. Im Ersten Weltkrieg diente er als Offiziersanwärter auf mehreren Großkampfschiffen und zuletzt, mit gerade 18 Jahren, als Erster Offizier auf einem Patrouillenboot. Anschließend begleitete er den britischen Thronfolger Edward, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband , auf mehreren offiziellen Reisen durch das British Empire.

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Er ließ sich als Kommunikationsoffizier ausbilden und blieb auch nach den Sparmaßnahmen, die in den 1920er-Jahren die Royal Navy dezimierten, im Dienst. 1936 wurde er persönlich Adjutant seines Freundes, der nun als Edward VIII. neuer König wurde – allerdings für kaum ein Jahr. Mountbatten vermittelte in der Staatskrise nach Edwards Thronverzicht (er wollte unbedingt die bereits zweifach geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson heiraten)

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Danach übernahm der Lord eine Zerstörerflottille und tat sich in den ersten beiden Jahren des Zweiten Weltkriegs durch gewagte Attacken hervor. Dafür stieg er zum Vizeadmiral und Befehlshaber der amphibischen Operationen auf. Doch sein guter Ruf litt erheblich durch das Desaster der Landung bei Dieppe am 19. August 1942, die schlecht konzipiert, schlecht vorbereitet und schlecht geführt war – Verluste von fast 3500 Mann an Toten und Kriegsgefangenen sowie mehr als tausend verwundet Heimgekehrten bei 6100 eingesetzten Soldaten sprachen für sich.

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Mountbatten wurde nach Südostasien versetzt und hatte hier wieder Erfolg, unter anderem in Burma. Nach dem Krieg wurde er als letzter Vizekönig von Indien zuständig für den Übergang der vormals bei Weitem größten und wichtigsten Kolonie in die Unabhängigkeit – eine monumentale Aufgabe, die er seriös bewältigte; für die enormen Grausamkeiten danach konnte er nichts. Zurück in Großbritannien, stieg er in die höchsten Ränge der Royal Navy auf und der Nato auf und diente bis 1965 als oberster Soldat des britischen Königreiches.

Seine enge Beziehung zu seinem Neffen Prinz Philip und zu dessen ältestem Sohn Prinz Charles führte zu einer Nähe auch zur Queen, die ungewöhnlich intensiv war. So galt er als Repräsentant des Königshauses und geriet als solcher ins Fadenkreuz der IRA. Von einem ersten Mordanschlag durch einen Scharfschützen 1978 bekam er offenbar nichts mit, doch ein Jahr später tötete ihn die Bombe an Bord der „Shadow V“.

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Dieser Artikel wurde erstmals im August 2021 veröffentlicht.

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Author: Edmund Hettinger DC

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